7:0! In Worten: sieben – zu – null! Energie Bitzius hat im Startspiel der Saison keine Gnade mit dem auf dem Papier vergleichbaren Team von Fortuna Galgenfeld gekannt. Trotz dem Jahrhundert-Sieg gilt es nun, auf dem Boden zu bleiben.
Von Sebastian Gänger, #9
Das Adjektiv «historisch» wird heutzutage im Überfluss verwendet. Dieses Mal kommt man aber nicht darum herum. Der Sieg der Energie sucht in der Klub-Historie seinesgleichen. Sowohl die Sieben
vorne als auch die Null hinten entsprechen nicht den Erfahrungen der vergangenen Jahre. Gerade der Saisonstart verlief zuletzt meist alles andere als optimal.
Zu erwarten gewesen war die Gala auch dieses Mal nicht. In der Corona-Zwangspause hatten die Mannen von Bitzius ein wahres Fiasko erlebt. Viele von ihnen wurden für eine Woche in Quarantäne
geschickt. Seither geht die Angst um im Energie-Campus: Die Trainings werden nur noch spärlich besucht, auf der vereinsinternen App häufen sich die Abwesenheitsmeldungen mit dem Grund «keine
Quarantäne vor [füge x-beliebige Hundsverlochete ein]». Kommt dazu, dass Spielertrainer und Torjäger Bühler sich im Vorbereitungsspiel einen vieldiskutierten Muskelbündelriss zuzog – Out für
mindestens sechs Wochen.
So war der Zolliker Sportsbube für einmal auf anderem Parkett gefragt, als Sportchef. Nicht weniger als sechs externe Spieler wusste er mit einem Temporärvertrag auszurüsten. Wie sich das auf die
Vereinszahlen auswirken wird, dürfte erst an der nächsten Generalversammlung vom Februar 2021 sichtbar werden. Sicher ist: Das Handeln auf dem Transfermarkt dürfte einiges gekostet haben. Auf dem
Aufgebot fungierten Namen wie Azizi, Anken, Maiberg, Leuenberger, Dällenbach und Cappis. Torwart Azizi ist den Kennern des Berner Regionalfussballs wegen seiner millimetergenauen 60-Meter-Abkicks
ein Begriff, Anken gilt als quirliger Offensivspieler, Maiberg durchlief die gesamte Jugend des deutschen Zweitligisten Eintracht Braunschweig, Leuenberger hat den Ruf eines Knipsers (mehr dazu
später), Dällenbach führte zu Beginn des Jahrzehnts die legendäre Aufstiegsmannschaft des FC Weissenstein an, Cappis ist vor allem durch seine Nähe mit dem Bitzius-Paradiesvogel Aepli bekannt.
Sie alle fügten sich mühelos in die übriggebliebene Stammneun der Energie ein. Bühler gab denn auch an der Medienkonferenz nach dem Spiel an, das Match sei auf dem Transfermarkt entschieden
worden. Unbescheiden wie eh und je!
Das Spiel wurde aber auf dem Platz gewonnen. Auch wenn das Ziel, mehr Ballbesitz als der Gegner zu haben, nicht erreicht wurde, so brillierte die Energie durch seine Effizienz. Praktisch jeder
Schuss war ein Treffer. Das Spiel erinnerte an das epochale 7:1 der deutschen Nationalmannschaft von Belo Horizonte, den 8:2-Sieg der Bayern über Barça am vergangenen Freitag und den
8:1-Startspielsieg des FC Sion gegen den FC Basel im Jahr 2001.
Die kaum eingespielten Automatismen wurden mit der guten Kommunikation auf dem Platz mehr als kompensiert. Die Leitwölfe Bärtschi (Captain) und Gautschy sparten nicht mit Kommandos und führten
die Energie schliesslich auf die Siegstrasse. Nicht einmal der Ausfall des Top-Transfers Herzog nach einer Viertelstunde (MRI-Ergebnis ausstehend) vermochte das Team an diesem Nachmittag aus der
Fassung zu bringen. Spieler wie Brunner und Dräyer wuchsen über sich hinaus. Baumgartner war der gewohnte Fels in der Abwehr. Kleiner und Ledermann hielten defensiv auf den Aussenbahnen dicht und
setzten im Angriff Nadelstiche. Und Gänger? Der war kaum wiederzuerkennen. Nach Monaten, ja Jahren des Stillstands und Rückschritts zeigte er zum ersten Mal seit dem 5:4-Sieg gegen Avalanche im
Herbst 2017 seine Offensivqualitäten. «Morgen erwarte ich ein Tor», hatte Bühler am Vortag des Spiels unverblümt an Gänger geschrieben, ansonsten könne er seinen Stammplatz nach der Rückkehr der
Spahr-Cousins gleich wieder räumen. Er selbst sei als Spielertrainer sowieso nicht zu verdrängen. Vielleicht war es diese Nachricht, die Gänger zur Höchstleistung anspornte. Es war aber auch sein
kogenialer Sturmpartner Leuenberger, der mit seinem Punch vorneweg ging. Am Schluss des Spiels hatten beide Angreifer fünf Skorerpunkte zu verzeichnen (Gänger drei Tore/zwei Assists; Leuenberger
vier Tore, ein Assist). Auch hier: ein Nachmittag für die Historie.
Es ist nicht so, dass Fortuna keine Gegenwehr gezeigt hätte. Vor allem in der Offensive war das Team aber äusserst glücklos, zahlreiche Schüsse zischten mehr oder weniger knapp am Energie-Gehäuse
vorbei. Was auf den Kasten kam, hielt Azizi – darunter war die eine oder andere spektakuläre Parade. Und so kam am Schluss das Ergebnis zustande, mit welchem Tippkönige wie Guggisberg oder Ganz
wohl tausende von Franken hätten gewinnen können.
Das Team feierte den Kantersieg bei 30 Grad «wie Tiere am Trog», wie es der auf einer griechischen Lockdown-Insel weilende Co-Trainer Heimlicher nach Spielschluss kommentierte. Recherchen im
Umfeld des Energie-Vorstands zeigen: Heimlicher selbst rieb sich ebenfalls mit mindestens einem Liter Flüssigem ein. Offiziell weilt er auf Kreta, um ein Probetraining bei OFI Heraklion zu
absolvieren. Die Langzeitfolgen sind noch unklar. (Anmerkung: Sein Co-Trainer Bühler spricht in diesem Zusammenhang von einem möglichen weiteren «Königstransfer», hält Heimlicher aber für schwer
zu vermitteln.)
Nicht mitbekommen haben dürfte Heimlicher in seiner stromlosen Hütte die Reaktionen in den Online-Gazetten am Montag. «Ein Duell zwischen Sportlern und Touristen», titelte der «Blick» zum
Startspiel der Energie. «Von der Energie geschlagen und verprügelt», bilanzierte die Quartierzeitung im Galgenfeld. «Energie war ein Tsunami», teilte der Bitzius-Leist auf Anfrage mit. Und sogar
die britische «Sun» nahm Kenntnis vom historischen Duell: «Das war kein Spiel, das war kaltblütiger Mord.»
Allez Energie!
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